Fallbeispiel: Logophobie, Redeangst in Vorstellungsrunden.
Nur noch zwei Teilnehmer vor dir, dann bist du dran. Alle Augen werden auf dich gerichtet sein, und du wirst wieder einmal alles versuchen, dass keiner deine Unsicherheit, dein Zittern, das Beben in deiner Stimme und deine Angst, dich in der Vorstellungsrunde zu blamieren, bemerkt. Ich kann dir sagen, du bist nicht allein. Millionen von Menschen ergeht es so, und genau so erging es auch Lukas viele Jahre seines Lebens. Lukas litt unter Redeangst (Logophobie), insbesondere in Vorstellungsrunden, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich.
Ein Sonntagnachmittag in Berlin, Prenzlauer Berg. Lukas, ein 32-jähriger IT-Consultant, verheiratet und werdender Vater, sitzt vor seinem Computer und tippt eine Nachricht an mich über das Kontaktformular auf meiner Website. Lukas leidet unter Logophobie, einer ausgeprägten Angst vor dem Sprechen, die er insbesondere in Vorstellungsrunden, in neuen Gruppen und veränderten Arbeitsumgebungen erlebt.
In unserem ersten Telefonat äußert sich Lukas sehr vorsichtig und zögerlich. Er erzählt mir, dass er bereits seit seiner Schulzeit Schwierigkeiten hat, sich im Gruppensetting zu zeigen und Wortbeiträge einzubringen.
Eine Situation, die sich im Laufe der Zeit kontinuierlich verschlimmerte und ihn mehr und mehr in die Vermeidung trieb. Heute schränkt ihn seine Redeangst nicht nur im beruflichen Alltag erheblich ein, sondern hindert ihn auch in privaten Angelegenheiten mehr und mehr in seiner persönlichen Entfaltung. Er sagt: "Ich traue mich ja nicht mal mehr, mich im Geburtsvorbereitungskurs vorzustellen, sondern überlasse das meiner Partnerin."
Im Verlauf unseres telefonischen Orientierungsgesprächs wird Lukas langsam lockerer und teilt mir seinen Wunsch nach mehr Selbstvertrauen mit. Er möchte sowohl seine Ängste überwinden als auch seine rhetorischen Fähigkeiten verbessern, um souveräner mit Vorstellungsrunden und ähnlichen Situationen umgehen zu können. Auf meiner Seite hat er gelesen, dass ich über zwanzig Jahre als Entertainer auf der Bühne stand, was ihn neben der Hypnose sehr anspricht.
Bei der Frage nach den Therapiezielen stellt sich neben dem Wunsch, freier und selbstbewusster vor anderen Menschen sprechen zu können, heraus, dass Lukas die Themen Selbstwert und Selbstliebe anschauen möchte. Während der Biographiearbeit am Flipchart betrachten wir Lukas' elterlichen Hintergrund, indem sein Vater für ihn eine wesentliche Rolle spielt. In der ursachen- und lösungsorientierten Hypnotherapie arbeiten wir sowohl mit Elementen der Vergangenheit als auch mit der augenblicklichen Situation und der Vorstellung einer gewünschten Zukunft.
Beim Aufzeichnen von Lukas' Timeline rücken zahlreiche bisher unbewusste negative Gedankenmuster und Glaubenssätze in den Vordergrund. Allen voran: "Ich bin nicht gut genug!" Der Hinweis, dass ein Großteil meiner Praxisbesucher mit diesem inneren Mantra unterwegs ist, scheint ihm mehr Verständnis und Milde für sich selbst zu ermöglichen.
Auf meine Frage: "Lukas, wie hast Du - Ich bin nicht gut genug gelernt - , hast Du eine Idee?", schließt er die Augen und erzählt von seinem Vater, dem er immer gefallen wollte. "Egal was ich gemacht habe, es war einfach nie gut genug. Ständig gab es Belehrungen und wenn ich selbst etwas sagen wollte, wurde mir das Wort abgeschnitten oder verboten. Irgendwann habe ich aufgehört, mit Worten dagegen anzukämpfen und damit angefangen, mich über Leistung zu definieren. Auch wenn ich weiß, dass es nie geschehen wird, etwas in mir wartet immer noch auf die Anerkennung meines Vaters." Tränen laufen und Lukas' Stimme versagt.
In der hypnotischen Trancearbeit arrangieren wir ein imaginäres Treffen mit seinem Vater, bei dem ihm dieser von seiner eigenen Kindheit und Jugend erzählt. Es stellt sich heraus, dass sein Vater selbst niemals die Liebe und Anerkennung erfahren hatte, die er sich von seinen Eltern gewünscht hätte und dass er dies unbewusst an Lukas weitergegeben hatte. Ihm selbst war es als Kind verboten zu reden, wenn die Erwachsenen sprachen, und bei Tisch herrschte absolutes Redeverbot. In dieser berührenden Sequenz wird deutlich, wie sehr Lukas' Vater sein Leben lang in sich gefangen war und dass er selbst diese Kette durchbrechen würde.
Lukas öffnet die Augen mit den Worten: "Ich will meine Angst zu Sprechen nicht an meine eigenen Kinder weitergeben. Von jetzt an werde ich alles dafür tun, um in Vorstellungsrunden und anderen Gesprächssituationen selbstbewusster auftreten zu können. Was immer auch kommt, ich werde ein liebevoller Vater sein und meine Kinder ermutigen, ihre Wünsche zu äußern und verbal für sich selbst einzustehen."
Therapie und Coaching dürfen einen geschützten Rahmen bereitstellen, in dem wir praktisch für den Alltag üben können. Nach Lukas' Aussage sind es insbesondere die praktischen Übungen und der Spaß, den wir dabei haben, die ihm helfen, seine Fähigkeiten zur Bewältigung von Redeangst zu stärken und zu verbessern. Bereits nach vier Sitzungen bemerkt er signifikante Veränderungen in die gewünschte Richtung.
Er fühlt sich jetzt wesentlich selbstsicherer und deutlich mehr in der Lage, seine Redeangst zu bewältigen. In der Praxis bedeutet dies für ihn, dass er in der Lage ist, an einer Vorstellungsrunde in seiner Firma teilzunehmen, ohne dabei von Panikattacken oder übermäßiger Nervosität überwältigt zu werden.
Lukas glaubt, dass er noch ein Stück des Weges vor sich hat, um seine Redeangst vollends überwunden zu haben. Jedoch gelingt es ihm, die Fortschritte, die er im Rahmen unserer Hypnosesitzungen erreichen konnte, anzuerkennen und zu würdigen.
In seiner inneren Wahrnehmung sieht er sich deutlich selbst, wie er seine Redeangst überwinden konnte und sich in privaten und beruflichen Gruppensituationen wohler fühlt. Vorstellungsrunden stellen für ihn nicht länger einen Ort der Gefahr dar, sondern eine Gelegenheit, bei der sich Menschen mit demselben Anliegen treffen.
Fazit:
Im Rahmen der Hypnotherapie konnte Lukas lernen, Kontrolle abzugeben und zu vertrauen. Er geht jetzt mit mehr Zuversicht, Selbstvertrauen und einer positiveren Einstellung in Situationen, die er früher vermieden hätte. Insgesamt zeigt Lukas' Fall, wie kraftvoll Hypnotherapie sein kann, um Menschen dabei zu helfen, ihre Ängste zu überwinden und ihr volles Potenzial zu entfalten.
Mit der richtigen Unterstützung und einer geeigneten Therapie hast auch du eine reelle Chance, deine Ängste zu überwinden und ein erfüllteres, angstfreieres Leben zu führen. Auch wenn es Mut und eine klare Absicht erfordert, sich seinen Ängsten zu stellen und Hilfe zu suchen: Lukas' Fall zeigt - Als Lohn für deinen Energieaufwand winkt dir mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmtheit und mehr Selbstvertrauen.
Hinter der Angst liegt die Freiheit.
Herzliche Grüße, Jojo Weiß
Comments