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AutorenbildJojo Weiß

Ich bin nicht gut genug - Hypnose bei vermindertem Selbstwert und der Angst nicht zu genügen.



Fallbeispiel: Eine Reise zu mehr Selbstakzeptanz. Wie Hypnosetherapie helfen kann, bei der Angst nicht gut genug zu sein.


Es war ein kalter Frühlingsmorgen, als Rike (Name geändert), 29, vor der Tür meiner Hypnosepraxis stand. Da sie schnelle Hilfe suchte, hatten wir einen Termin außerhalb meiner üblichen Praxiszeiten vereinbart. Sie trug einen kastanienbraunen Mantel und passende Handschuhe dazu, als ich ihr die Tür öffnete. Schön sah sie aus.


Schon im Orientierungsgespräch hatte sich herausgestellt, dass sie über jede Menge Therapieerfahrung verfügte und immer auf der Suche nach Anerkennung von außen war.

Im Berufsleben hatte Rike bereits alles Mögliche ausprobiert, jedoch bisher nicht ihr Ding gefunden.


"Seit ich denken kann, habe ich das Gefühl, ich bin nicht gut genug. Es ist wie ein Dauergespenst, welches ich nicht greifen kann. Ich habe es auch noch nie gesehen, doch es geistert in meinem Kopf herum und macht mir Angst. Diese tief verwurzelte Angst trage ich seit meiner Kindheit in mir", schilderte sie und fuhr fort:


"Für mich ist es nicht nur ein Glaubenssatz, es macht mir wirklich Angst! Dazu kommen dann weitere Ängste: Was passiert, wenn es die anderen merken? Werde ich die Angst davor nicht gut genug zu sein jemals loswerden?"


Ich fragte nach: "Was hat dir in all den anderen Therapien vorher gutgetan, was hast du vermisst und was wünschst du dir von unserer Zusammenarbeit?"

"Gleich drei Fragen auf einmal", schob ich spontan hinterher und musste schmunzeln.


Rike erwiderte mein Lächeln und antwortete: "Gut getan hat es mir, wenn jemand zugehört hat und ich mich dadurch gesehen fühlte. Leider hat es bisher keine wirkliche Verbesserung gegeben, was meine Ängste betrifft. Deshalb möchte ich jetzt die Hypnose ausprobieren. Ich wünsche mir herauszufinden, woher diese Selbstzweifel, meine Unsicherheit und meine tiefe Überzeugung, ich bin nicht gut genug, kommen."


Sowohl in einer Gesprächstherapie, wie auch in einem tiefenpsychologisch orientierten Setting, hatte sich bei Rike deutlich ein Vaterthema gezeigt. Ihr Vater war geschäftlich immer viel unterwegs gewesen und so gut wie nie präsent. Bei ihm hatte der berufliche Erfolg immer über allem gestanden, und ihre Mutter litt heute wie all die Jahre zuvor eher still.


Es hatte nie Existenzsorgen oder größere Dramen gegeben. Abgesehen vom zunehmenden Alkoholkonsum ihrer Mutter war das was ihr komplett fehlte, der emotionale Zugang und die Verbindung zu ihrem Vater.


"Weißt du, Jojo, mein Vater bezahlt diese Therapie hier, wie auch meine anderen Gehversuche in Sachen Ausbildung, Sinnfindung und Wohnen. Ich hatte mal für eineinhalb Jahre eine Wohnung und bin dann wieder zurück nach Hause gegangen, weil ich alleine nicht zurecht kam. Mein Vater ist kein Despot oder so etwas, er hat nur niemals gelernt, Nähe zuzulassen, weich zu sein und da zu sein.


Ich weiß das vom Kopf her alles und trotzdem habe ich bisher keine Lösung gefunden. Mein Selbstwert ging immer mehr in den Keller und ich hatte bisher nur Beziehungen, in denen ich schlecht behandelt wurde oder besser gesagt Beziehungen, in denen habe ich mich schlecht behandeln lassen."


"Willkommen im Club", gab ich zurück und fügte hinzu: "Vielleicht hilft es dir zu wissen, du bist mit dieser Thematik in guter Gesellschaft. Meine Praxis ist voll mit wunderbaren Menschen, vor allem mit Frauen, die ein Leben lang nach der Aufmerksamkeit ihres Papas suchen und sie nicht finden."


"Da ist noch etwas", sagte Rike und machte eine längere Pause, bevor sie fortfuhr: "Ich bin mir sicher, dass ich kein Wunschkind bin." Jetzt kullerten die ersten Tränen, und sie zeigte sich in ihrer Verletzlichkeit.


Nach einer Weile konnte sie weiterreden: "Ich weiß es von meiner Mutter, auch wenn sie es nicht so direkt gesagt hat. Sie ging lange Zeit davon aus, dass sie keine Kinder bekommen könnte, aufgrund der Aussage ihrer Ärztin und mehrerer Untersuchungen."


"Als sie dann doch schwanger wurde, waren meine Eltern völlig überrascht und haben es wohl eher akzeptiert, als sich gefreut. Da meine Mutter in einem sehr konservativen christlichen Elternhaus groß wurde, kam eine Abtreibung für sie nicht in Frage."


Dies sind die Momente, in denen ich als Therapeut ganz still werde, versuche einfach nur da zu sein und mit jedem Funken meines Seins zu signalisieren: Du bist willkommen, schön, dass es dich gibt. In meiner Wahrnehmung kann in solchen Momenten ein Fenster aufgehen, sie sind fragil, wertvoll und schaffen Möglichkeiten.


"Ich freue mich sehr, dass sich das Leben für dich entschieden hat. Herzlich willkommen", bot ich ihr an, nachdem die Bedeutsamkeit ihrer Worte für geraume Zeit im Raum gestanden hatte.


Rike fühlte sich, wie viele meiner Praxisbesucherinnen, oft wesentlich jünger als sie tatsächlich war. Dies stand ihr in den verschiedenen Lebensbereichen im Weg. In der ersten hypnotischen Trancearbeit bot ich ihr an, sich von einem sicheren Ort aus, bei ihr war es ein Strand, an dem sie im warmen Sand lag, dabei zu beobachten, wie sie heranwuchs.


Wenn Klientinnen auf derartige Weise ihre eigene Größe, ihren Körper, ihre geistigen Möglichkeiten und Kompetenzen wahrnehmen, hat sich dies in vielen Fällen als eine wirkungsvolle Grundlage für Veränderungsprozesse bewährt.


"So habe ich mich noch nie gesehen, als große, erwachsene Frau", schilderte Rike ihr Erleben am Ende unserer ersten Sitzung.


Ich erwiderte: "Das bringt uns ja im Alltag auch niemand bei. Da heißt es dann oft, du bist doch kein Kind mehr, reiß dich mal zusammen oder hab dich nicht so. Sich in der inneren Wahrnehmung selbst als groß und erwachsen wahrzunehmen, ist nach meiner Erfahrung ein Prozess, den wir sehr wirksam in den Alltag einpflegen können."


"Und wie mache ich das?", fragte Rike.


"Wie so vieles in der Therapiearbeit ist dies nach meiner Einschätzung individuell verschieden. Die Arbeit mit dem Spiegel, der Kontakt mit dem inneren Kind, kreatives Schreiben, regelmäßige Selbsthypnose – es gibt reichlich Auswahl", antwortete ich.


"Ich habe schon zwei Bücher über die Arbeit mit dem inneren Kind gelesen, aber bis jetzt fehlt mir ehrlich gesagt der Zugang dazu", sagte Rike und wirkte etwas ernüchtert.


"Das geht vielen Menschen so, die hierher kommen", entgegnete ich und fuhr fort: "Für die meisten bleibt es beim Lesen darüber, oder sie widmen sich ein- oder zweimal ihrem inneren Kind und denken dann das wars, weil sich keine dauerhafte Veränderung einstellt.


In meiner Wahrnehmung ist es eine sehr alltagstaugliche Herangehensweise, vor allem dann, wenn wir sie kontinuierlich praktizieren. Darf ich dir das vorstellen?"


"Ja, gerne, ich bin sehr gespannt", antwortete Rike.


Wir vereinbarten, dass sie zur nächsten Sitzung Kinderbilder aus verschiedenen Altersstufen von sich mitbringen würde und verabschiedeten uns.


In der nächsten Sitzung, eine Woche später, brachte sie ein Album mit, das ihre Mutter für sie angefertigt hatte. Darin war sie sowohl in klassischen Familienszenen wie Weihnachten, Silvester, an Geburtstagen und auch in Urlauben zu sehen.


Alle Bilder waren sehr sorgfältig eingeklebt, und gelegentlich standen sauber geschriebene Schlagworte oder kurze Sätze dabei. Der erste Abschnitt des Albums zeigte Rike als Säugling und Kleinkind.


Als wir nebeneinandersaßen und die Fotos betrachteten, konnte ich sie beobachten und auch ihre Stimmung aufnehmen. Während sie Seite für Seite des Albums umblätterte, teilte sie mir ihre Gedanken zu den Bildern mit. Als wir am Ende des Albums angelangt waren, fragte ich sie:

"Welche der Bilder berühren dich am meisten, und was empfindest du dabei?"


Ohne zu zögern schlug Rike die ersten Seiten der Fotosammlung auf und deutete mit ihrem Zeigefinger auf ein bestimmtes Bild. Darauf sah man sie als Baby im Krankenhaus, wahrscheinlich kurz nach der Geburt lag sie dort, auf der Brust ihrer Mutter, zum Teil mit einem Tuch bedeckt.


"Sie ist wirklich winzig", sagte Rike ganz gerührt, als sie das Foto ansah.

"Ja, das ist sie, klein, liebenswert, schützenswert, durch und durch wertvoll. Könntest du jemals auf die Idee kommen, dass sie nicht gut genug sei?", fragte ich sanft.


"Nein, ich kann es deutlich sehen, sie ist ein wundervoller süßer kleiner Mensch, ganz rein und ", gut so wie sie auf die Welt kam", antwortete sie und wieder kamen Tränen. Ich ließ sie weinen und gab ihr diesen berührenden Moment mit ihrem inneren Kind.


"Das bist du immer noch Rike, knapp dreißig Jahre später, mit etwas mehr Fleisch drumherum und diversen Erfahrungen, die das Leben dir antrug. Ist es nicht so? All diese Erlebnisse haben mit dem Kern deines Wesens nichts zu tun, denn dieser Wert bleibt immer gleich. Die große Rike ist genauso wertvoll, wie sie als Säugling war.


Wie würde sich dein Leben verändern, wenn du die Zuneigung und Liebe für dieses kleine Wesen auch für dich als Erwachsene empfinden könntest?", wollte ich wissen.


"Das wäre eine echte Befreiung und ich wünsche mir sehr, dies glauben und wirklich fühlen zu können", antwortete Rike mit einem Anflug von Hoffnung und Zuversicht in ihrer Stimme.


"Dann habe ich eine wirklich gute Nachricht für dich. Ich bin überzeugt davon und durfte es bereits vielfach erleben, dass es für dich möglich ist, diese Form der Befreiung zu erleben. Da ich gerne transparent und ehrlich bin, möchte ich ebenfalls sagen, es braucht wie jede Veränderung Energie.


Erinnere dich an unser Erstgespräch: Menschen wünschen sich Veränderung und tun sich gleichzeitig schwer dabei, sich zu verändern. Unser Gehirn möchte Energie sparen, und jede Veränderung kostet Energie. Was meinst du, lohnt es sich, diese Energie aufzubringen?", fragte ich nach.


"Auf jeden Fall, ja. Ich möchte diese Erleichterung, diese Befreiung in meinem Leben, und ich bin bereit, daran zu arbeiten!", antwortete Rike enthusiastisch.

"Das freut mich sehr. Let's go!", gab ich ebenso begeistert zurück.


In der folgenden Trance-Sequenz stellten wir eine tiefe Verbindung zwischen ihrem inneren Kind und der großen Rike her. Dabei konnte ihr Erwachsenen-Ich in verschiedenen Lebenssituationen fürsorglich für die jüngeren Anteile da sein. Außerdem nutzte sie als geistige Helferin eine Prominente, die sich sehr für Kinder engagiert, wenn die große Rike nicht weiterwusste.


Es gab einiges zu tun in Form von Hausaufgaben: Sie druckte Bilder von sich in verschiedenen Jahrgängen aus, um eine Collage davon zu fertigen, schrieb Briefe an ihren Vater, ohne zu wissen, ob sie ihm diese jemals überreichen würde. Sie bat Freundinnen und Freunde, ihr zu sagen, was diese an ihr schätzen, und sie begann die Arbeit mit dem Spiegel.


Rike war unglaublich fleißig und kreativ bei diesem Prozess und nach ihrer eigenen Aussage sehr froh, etwas entdeckt zu haben, das sie forderte und ihr gleichzeitig sogar Freude bereitete. Sie stieß dabei auf eine lange verschüttete künstlerische Ader und begann zu experimentieren mit Slogans wie: "Ich bin viel mehr als gut genug, ich bin gut, gut dass ich bin, ich bin gut wie ich bin…"


Eines der größten Privilegien meiner Arbeit besteht darin, andere Menschen wachsen zu sehen - und Rike wuchs.


"Der größte Gewinn liegt für mich erst einmal darin zu spüren, dass ich für diese Arbeit nicht auf andere Menschen angewiesen bin. Natürlich wäre es schön, meine Eltern und auch Freunde mehr mit auf diese Reise nehmen zu können, doch ich weiß jetzt, in erster Linie mache ich es für mich, und dazu stehe ich", erklärte sie feierlich.


Rike kam insgesamt viermal zu mir, und die Zusammenarbeit war eine echte Freude.

Heute sagt sie von sich selbst, ich bin auf einem guten Weg und mein Ziel ist es, dass der Satz Ich bin nicht gut genug mit mir überhaupt nichts mehr zu tun hat.


Fazit:

Eine erschreckend hohe Zahl von Menschen geht durch die Welt mit dem Glaubenssatz, oder wie in Rikes Fall mit der Angst, ich bin nicht gut genug.


Wie kommt das? Wir werden doch nicht so geboren.

Von Kindesbeinen an hören viele von uns Dinge wie: "Tu dies nicht, mach jenes. Nein, nicht so, mach es auf diese Art. Das kannst du doch besser. Hab ich dir nicht schon zehnmal gesagt, lass das, du bist doch zu…"


Irgendwann fängt dieses kleine Wesen dann tatsächlich an zu glauben: "Ich mache viel falsch, ich bin nicht richtig wie ich bin, ich bin nicht gut genug."


Auch wenn sich im Laufe der Jahre immer mehr Eltern mit den Themen Kommunikation und zeitgemäßer Erziehung beschäftigen, die Anforderungen an Eltern und jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft wachsen parallel dazu.


Eltern werden heißt nicht automatisch, Elternschaft vollumfänglich annehmen zu können und eine Garantie für gutes Gelingen gibt es auch dann nicht. So wie es scheint, können wir jedoch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, unsere Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen zu sehen, wenn wir ihnen mi jeder Faser unseres Seins signaliisieren: du bist gut so wie du bist.


Ist es nicht so? Ein Kind liebevoll und fürsorglich zu begleiten birgt eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die uns das Leben antragen kann. Sollte eines oder gar beide Elternteile diese Aufgabe nicht annehmen können, verursacht dies in vielen Fällen Leid, an dem die Betroffenen schwer zu tragen haben.


Wie gut zu wissen, es ist nie zu spät, um seelische Wunden zu heilen, unseren abhandengekommenen Selbstwert wiederzuentdecken und zu stärken. Ich wünsche uns allen aus der Tiefe unseres Herzens sagen zu können: "Ich bin gut so wie ich bin. Ja, es gibt mich nur ein einziges Mal auf der Welt und deshalb bin ich einzigartig und liebe mich genau so wie ich bin."


Hypnose ist eines der ältesten Heilverfahren, die wir kennen. 2006 wurde sie vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) anerkannt. In der Regel kommen meine Praxisbesucher*innen zwischen drei und fünf Mal zur Behandlung, um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Im Vorfeld einer Hypnosetherapie bei Ängsten oder Zwängen solltest Du, wie bei anderen Anliegen auch, organische Ursachen für deine Beschwerden ausgeschlossen haben. Rikes`Fall ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie kraftvoll Hypnosetherapie sein kann, um das Leben eines Menschen positiv zu verändern. Mehr über Jojo Weiß.


Herzliche Grüße,

Jojo Weiß

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